Philipp´s Erfahrungsbericht

Jung und Krebs – Wie war das jetzt mit dem Kinderwunsch?

Philipp ist ein junger Mann, der zweimal kurz aufeinander die Diagnose Hodgkin-Lymphom erhielt. Da er bei der Diagnosestellung noch sehr jung war – 19 Jahre alt – lag das Thema Kinderwunsch noch in weiter Ferne. In einem offenen Interview teilt Philipp seine Erfahrungen von der Diagnosestellung bis zum Abschluss seiner Therapie und darüber hinaus. Er berichtet, warum und für welche Maßnahme er sich entschieden hat, um einen Kinderwunsch in der Zukunft erfüllen zu können. Er erzählt, welche Herausforderungen ihm auf diesem Weg begegnet sind und wie er diese für sich lösen konnte.


Wie passt das Thema Kinderwunsch in deine Geschichte?

Als ich das erste Mal im September 2022 und dann erneut im Juni 2023 die Diagnose Hodgkin-Lymphom bekam, war ich zuerst total überfordert. Ich war jung und hatte Pläne für die Zukunft. Ich hatte zu dieser Zeit gerade meine Ausbildung begonnen und hatte das Gefühl, mein Leben wäre jetzt erst richtig losgegangen. Und dann kam: Krankheit, Behandlungen und ich wurde auch mit dem Thema Kinderwunsch konfrontiert. Kinderwunsch?! Daran hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wirklich gedacht. Schließlich war ich auch erst 19 Jahre alt und wusste gar nicht, ob ich überhaupt mal Kinder bekommen möchte.
Meine Mutter sprach das Thema damals im Arztgespräch bei Diagnosestellung an und ich musste mich dann natürlich auch damit auseinandersetzen – mittendrin in der ganzen Krankheitsgeschichte.

Welche Fragen hattest du damals?
Anfangs hatte ich mit der Diagnose tausend Fragen im Kopf. Für mich gab es aber eigentlich erstmal deutlich Wichtigeres als das Thema Kinderwunsch. Rückblickend bin ich aber sehr froh, dass ich damals sehr schnell einen Termin für eine Kryokonservierung in einem Kinderwunschzentrum hatte. Aber…
Die erste Frage für mich, nachdem das Thema Kinderwunsch angesprochen wurde, war schlicht nur: „Moment Mal…wie Kinder? Ich bin gerade 19?! Will ich überhaupt jemals Kinder haben?!“
Glücklicherweise war die Ärztin gut in ihrer Arbeit und fing gleich an, mir die ersten Grundschritte zu erklären, bevor ich über weitere Fragen nachdenken konnte. Sie machte mir gleich deutlich, dass es als männliche Person keinen großen Aufwand benötigen würde, da man nur seine Spermien abgeben muss – keine Operation etc. Sofort legte sich ein Hebel in meinen Gedanken um: „Ist doch egal, ob ich jetzt gerade keine Kinder möchte. Vielleicht sieht es in 10 Jahren anders aus und dann ärgerst du dich…Also einfach die abgesicherte Variante gehen, vor allem wenn der Aufwand doch so gering ist“. Die Ärztin organisierte mir einen schnellen Termin in einer Kinderwunschklinik für alles Weitere.
Dort wurde ich dann gut beraten und speziellere Fragen, wie „Wer übernimmt die Kosten?“, wurden dann spätestens hier beantwortet. Im selben Termin wurden noch die ganzen Standarduntersuchungen durchgeführt und anschließend direkt die Spermien eingefroren (kryokonserviert).

 

Wie war das mit den Kosten?
Im Oktober 2022 gab es erst seit Kurzem neue Gesetze zur Kostenübernahme bei der Kryokonservierung für Männer. Für die Untersuchungen, Einfrierung und auch Lagerung der Spermien ist die gesetzliche Krankenkasse verpflichtet, die Kosten zu übernehmen. Wenn ich mich recht erinnere, kostet die Lagerung pro Kalenderjahr ca. 200 €. Meine Kinderwunschklinik betonte: „Diese Gesetze stecken noch in Kinderschuhen“. Soll heißen, es könnte passieren, dass sich noch etwas ändert – auch zum Negativen. Dementsprechend schloss ich mit meiner Kinderwunschklinik einen Vertrag. Als Kostenträger ist entsprechend des Gesetzes die Krankenkasse aufgeführt. Sollte diese sich querstellen, werden automatisch erstmal vorsorglich von meinem eigenen Konto die Kosten gedeckt. Für die restliche Problematik hätte man dann noch genügend Zeit. Denn sollten die Kosten nicht gedeckt sein, müsse die eingelagerte Probe vernichtet werden. Das wäre fatal.
Der einzige Aufwand, den ich deswegen noch habe, ist, dass ich einmal pro Quartal in der Klinik meine Krankenkassenkarte einlesen lassen muss, damit diese die Kosten mit der Krankenkasse abrechnen können.
Die Kostenübernahme durch die Krankenkasse für die Maßnahme und Lagerung im Kinderwunschzentrum war aber ein großer Pluspunkt und hat mir damals Stress weggenommen. Die Möglichkeit, aktiv eine Entscheidung für meine Zukunft zu treffen – auch in einer Zeit der Unsicherheit –, gab mir ein kleines Gefühl der Kontrolle zurück.

 

Was hat oder hätte dir geholfen?
Echt viel hat mir die Unterstützung von meiner Familie geholfen, aber auch das Gespräch in der Kinderwunschklinik sowie nach meiner Behandlung der Austausch mit meiner Reha-Gruppe. Anfangs hatte ich beispielsweise große Schwierigkeiten damit, zu akzeptieren, dass ich auf natürlichem Weg sehr wahrscheinlich keine Kinder mehr zeugen kann. Der Austausch mit anderen Betroffenen hat mir sehr geholfen. Auch die gewonnene Erkenntnis, dass sehr viele Paare auch ohne Krankheitsgeschichte Schwierigkeiten haben, auf natürlichem Weg ihren Kinderwunsch zu erfüllen, hat mir gezeigt, dass dies nichts Ungewöhnliches ist und ich damit nicht allein bin.

Was wünscht du dir für andere Betroffene?
Ich wünsche mir für andere, dass sie direkt von Anfang an gut über alles informiert werden, auch über einen zukünftigen Kinderwunsch. Es ist wichtig, dass medizinisches Personal dieses Thema aktiv anspricht und dass betroffene Personen sowohl emotionale als auch finanzielle Unterstützung erfahren. Wichtig ist, dass man weiß, man ist nicht allein damit und es gibt Wege, die man gehen kann.

Welchen Ratschlag hast du?
Mein Tipp: Redet offen über eure Gedanken, Fragen und Gefühle. Es ist okay, sich erstmal überfordert zu fühlen. Aber sucht euch Infos und Unterstützung. Das Thema Kinderwunsch scheint direkt nach der Diagnose vielleicht nicht so wichtig, aber es lohnt sich, darüber nachzudenken und Maßnahmen zu ergreifen, bevor der ganze Behandlungsweg losgeht. Man weiß nie, wie man später darüber denkt und man sollte sich – wenn möglich – die Option, später Kinder zu bekommen, offenhalten.

 

Philipp hat trotz der zum Zeitpunkt der Diagnose und Therapie überfordernden Frage nach einem möglichen Kinderwunsch eine schnelle Möglichkeit wahrgenommen, um für seine Zukunft vorzusorgen. Seine Geschichte beschreibt sehr schön, wie erleichternd es sich heute für ihn anfühlt und, dass Fragen zum zukünftigen Kinderwunsch auch nicht mit einer fertilitätserhaltenden Maßnahme abgeschlossen sind. Seine Geschichte betont, wie gut es tun kann, nach Unterstützung oder Erfahrungen anderer zu fragen und in den Austausch dazu zu gehen. Vielen Dank, lieber Philipp, für das Teilen deiner Geschichte und Ratschläge.

  

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3.2. Sozialleistungen  – Unterstützungsmöglichkeiten im Falle einer Krebserkrankung

3.2. Sozialleistungen – Unterstützungsmöglichkeiten im Falle einer Krebserkrankung

Sozialleistungen – Unterstützungsmöglichkeiten im Falle einer Krebserkrankung​

Oft bringt eine Krebserkrankung für Betroffene und deren Umfeld viele Sorgen und Ängste mit sich. Neben dem Erfolg der Therapie können auch praktische Fragen plötzlich eine zentrale Bedeutung gewinnen: Wovon soll man leben, wenn man für eine gewisse Zeit nicht arbeiten kann? Was passiert, wenn der Krebs wiederkommt und man sich und sein Kind nicht mehr allein versorgen kann? Für deine Absicherung in diesen schwierigen Situationen gibt es zahlreiche Sozialleistungen, auf die du Anspruch hast.


Sozialleistungen und deren Träger

Unter Sozialleistungen versteht man alle Leistungen, die vom Staat für die soziale Sicherung erbracht werden1. Das können sowohl Geld- als auch Dienst- oder Sachleistungen sein2, wie zum Beispiel Krankengeld, Rente oder Rehabilitationsmaßnahmen3. Diese Leistungen sollen dich vor individuellen Lebensrisiken schützen oder, falls das nicht möglich ist, zumindest deren Folgen ausgleichen und ein Mindestmaß an wirtschaftlicher Lebensgrundlage sicherstellen.
In Deutschland gibt es viele verschiedene Sozialleistungsträger, die für die Absicherung in unterschiedlichen Situationen, zum Beispiel Unfall, Krankheit, Verlust des Arbeitsplatzes, zuständig sind. Die Zuständigkeit kann zusätzlich aber auch von deinen persönlichen Lebensumständen beeinflusst sein4: Ist man privat oder gesetzlich krankenversichert? Ist man angestellt, selbstständig, verbeamtet oder arbeitet möglicherweise gar nicht? Diese Faktoren können den verantwortlichen Sozialleistungsträger beeinflussen.

Sozialleistungsträger sind unter anderem3,5
– gesetzliche Krankenkassen und private Krankenversicherungen
– gesetzliche Pflegekassen und private Pflegeversicherungen
– Rentenversicherungsträger
– Beihilfestellen
– Sozialamt
– Versorgungsamt
– Arbeitsagentur

 

Wirtschaftliche Absicherung

Die Frage nach finanzieller Absicherung kann in Zusammenhang mit einer Krebsdiagnose oder wiederauftretender Erkrankung mit und ohne Familiengründung schnell aufkommen. Dies gilt insbesondere dann, wenn man noch nicht abschätzen kann, ob man möglicherweise längerfristig beruflich ausfällt.
Wie bei anderen Krankheiten auch, wird bei Arbeitsunfähigkeit im Rahmen einer Krebserkrankung im Regelfall der Lohn für 42 Kalendertage durch das beschäftigende Unternehmen weitergezahlt3. Ist die Zeit der Entgeltfortzahlung abgelaufen und man ist noch nicht wieder arbeitsfähig, zahlen die gesetzlichen Krankenkassen das sogenannte Krankengeld. Dies beträgt 70 Prozent des regelmäßigen Bruttogehalts, allerdings nicht mehr als 90 Prozent des letzten Nettogehalts. Das Krankengeld ist allerdings auf die Dauer von 78 Wochen innerhalb von drei Kalenderjahren beschränkt6 und stellt damit keine längerfristige Absicherung dar3.
Versicherte in privaten Krankenversicherungen haben in der Regel die Möglichkeit, eine Krankentagegeldversicherung abzuschließen3. Hier sind die Tarife und Konditionen von Versicherung zu Versicherung unterschiedlich. Betroffene müssten sich also direkt an ihre jeweilige private Krankenversicherung wenden und dort die möglichen Optionen prüfen. Dies gilt insbesondere, wenn die Diagnose schon besteht und die Krankentagegeldversicherung sozusagen nachträglich abgeschlossen werden soll.
Wenn du aufgrund deiner Krebserkrankung nur noch teilweise oder gar nicht mehr berufstätig sein kannst, hast du die Möglichkeit, eine Erwerbsminderungsrente zu beantragen. Ob dann eine teilweise oder volle Erwerbsminderungsrente bewilligt wird, hängt unter anderem davon ab, wie viele Stunden du noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten könntest3.

Mehr als nur finanzielle Unterstützung

Neben den oben genannten finanziellen Mitteln gibt es auch weitere Sozialleistungen, auf die bei einer Krebserkrankung Anspruch besteht. Viele davon hängen direkt mit der Therapie beziehungsweise deren Folgen zusammen, etwa
– Arznei- und Verbandmittel
– Heilmittel (Krankengymnastik, manuelle Therapie, Sprach- und Ergotherapie)
– Hilfsmittel (Prothesen, Hör- und Sprechhilfen, Gehhilfen, Perücken)
– Fahrkostenübernahme
– stationäre Krankenhausaufenthalte
– Übergangspflege
– Haushaltshilfe
– häusliche Krankenpflege
– spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV)
– Hospizpflege.

Diese Leistungen werden zum Teil vom Behandlungsteam verordnet und sind dann für gesetzlich Krankenversicherte teilweise zuzahlungspflichtig5. Andere Leistungen, zum Beispiel Fahrkostenübernahme oder eine Haushaltshilfe, müssen eigenständig bei der Krankenkasse beantragt werden. Hast du ein oder mehrere Kinder, sind deine Chancen gut, eine Haushalthilfe genehmigt zu bekommen. Bei privaten Krankenversicherungen können die Leistungen je nach Vertrag variieren3.

 .

Rehabilitation, berufliche Wiedereingliederung, Pflege

Rehabilitation
Häufig schließt sich an eine Krebstherapie eine onkologische Rehabilitation an, die Betroffenen dabei helfen soll, wieder in den Alltag zurückzufinden8. Teils finden die Rehabilitationsmaßnahmen direkt nach der Therapie statt, man spricht dann von einer Anschlussheilbehandlung, teils können die Rehabilitationsmaßnahmen aber auch mit einem gewissen zeitlichen Abstand stationär oder auch ambulant durchgeführt werden. Kostenträger dieser Sozialleistungen können sowohl die Krankenkassen als auch die Rentenversicherung sein. Dies hängt davon ab, ob die Rehabilitation zur Wiederherstellung der Gesundheit oder zur Wiederherstellung beziehungsweise zum Erhalt der Erwerbstätigkeit durchgeführt wird3. Onkologische Rehabilitationsmaßnahmen werden in der Regel von der Rentenversicherung übernommen5.

Berufliche Wiedereingliederung
Um speziell im Berufsleben wieder Fuß zu fassen, gibt es zudem noch die Möglichkeit der beruflichen Wiedereingliederung, für die ebenfalls die Rentenversicherungen oder auch Arbeitsagenturen zuständig sind5. Die Leistungen der beruflichen Wiedereingliederung sind vielfältig und reichen von der schrittweisen Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit über Hilfsmittel am Arbeitsplatz bis hin zur Umschulung3.

Pflege
Sind die Auswirkungen der Krebserkrankung so groß, dass man sich zumindest zeitweise selbst nicht mehr versorgen kann und im Alltag auf Hilfe angewiesen ist, hat man Ansprüche auf Leistungen aus der Pflegeversicherung. Der Anspruch wird durch den Medizinischen Dienst geprüft. Hierzu wird eine sogenannte Pflegebegutachtung durchgeführt, bei der festgestellt wird, wie groß die Pflegebedürftigkeit der Betroffenen tatsächlich ist. Dementsprechend wird ein Pflegegrad vergeben, nach dem sich dann die Leistungen der Pflegekassen richten9. Hierzu gehören etwa Pflegesachleistungen bei der häuslichen Pflege, Pflegegeld oder Beiträge zu den pflegerischen Aufwendungen bei stationärer Pflege3.

 

Individuelle Beratung

Krebserkrankten stehen also zahlreiche Sozialleistungen zu. Die Möglichkeiten der Unterstützung sind so vielfältig, dass dieser Artikel nur eine grobe Übersicht geben kann. Lebenssituationen mitsamt den aufkommenden Fragen und Problemen nach einer Krebsdiagnose können sehr unterschiedlich aussehen. Deswegen bietet sich eine individuelle Beratung an, um die passenden Angebote und die richtigen Anlaufstellen beziehungsweise Kostenträger zu finden und Unterstützung bei der Antragsstellung zu bekommen.

Wer kann genauer und individuell über Sozialleistungen informieren3,4,5?
-behandelnde Ärzte und Ärztinnen
-Kliniksozialdienst des behandelnden Krankenhauses
-Krebsberatungsstellen (Adressliste über den Krebsinformationsdienst abrufbar)
-die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD)
-das Informationsnetz Krebs der Deutschen Krebshilfe (DKH)

 

Quellen

1. BPB, Das Lexikon der Wirtschaft: Sozialleistungen, https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/lexikon-der-wirtschaft/20650/sozialleistungen/, abgerufen am 11.10.2023
2. BPB, Das Rechtslexikon: Sozialleistungen, https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/recht-a-z/324059/sozialleistungen/ abgerufen am 11.10.2023
3. Deutsche Krebshilfe: Sozialleistungen bei Krebs, https://www.krebshilfe.de/infomaterial/Blaue_Ratgeber/Wegweiser-zu-Sozialleistungen_BlaueRatgeber_DeutscheKrebshilfe.pdf

4. Onko Internetportal: Verloren im Paragraphen-Labyrinth? Sozialrechtliche Informationen für Krebspatienten, https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/leben-mit-krebs/beratung-und-hilfe/sozialrechtliche-informationen.html, abgerufen am 11.10.2023
5. Deutsches Krebsforschungszentrum: Sozialrecht und Krebs: Wer ist wofür zuständig? https://www.krebsinformationsdienst.de/service/adressen/sozialrecht-bei-krebs-anlaufstellen.php, abgerufen am 11.10.2023
6. Bundesministerium für Gesundheit: Krankengeld, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/krankengeld.html, abgerufen am 11.10.2023
7. Bundesministerium für Gesundheit: Zuzahlung,  https://www.bundesgesundheitsministerium.de/zuzahlung-krankenversicherung.html, abgerufen am 01.10.2023
8. Deutsche Rentenversicherung: Onkologische Reha, https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Reha/Medizinische-Reha/Onkologische-Reha/onkologische-reha_node.html, abgerufen am 11.10.2023
9. Medizinischer Dienst: Pflegebegutachtung, https://www.medizinischerdienst.de/versicherte/pflegebegutachtung/, abgerufen am 11.10.2023

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3.1. Kostenerstattung bei Krebs und Kinderwunsch

3.1. Kostenerstattung bei Krebs und Kinderwunsch

Kostenerstattung bei Krebs und Kinderwunsch​

.Eine Krebserkrankung bringt häufig ein Überdenken der bisherigen Lebensplanung mit sich. Neben der Frage zum Erfolg der Therapie kommt dazu, dass du dir bei verschiedenen Therapieformen Gedanken im Vorfeld machen musst, wie du dir die Option für einen späteren Kinderwunsch offen halten kannst. Damit steht man plötzlich auch vor ganz praktischen Fragestellungen: In welchem Fall muss ich einen Antrag auf Kostenübernahme stellen? Welche Kosten kommen bei einer Kinderwunschbehandlung auf mich zu? Für die Erfüllung deines Kinderwunsches gibt es gesetzlich geregelte Möglichkeiten, die du in Anspruch nehmen kannst. Sie lassen sich in zwei Teilbereiche gliedern: Anspruch auf Fertilitätserhalt, um einen späteren Kinderwunsch realisieren zu können und die Kinderwunschbehandlung an sich.


Fertilitätserhaltende Maßnahmen – Kosten, Anträge und Co

In diesem Bereich hat sich in den letzten Jahren viel getan. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in einer Richtlinie die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Kryokonservierung von Ei- oder Samenzellen und seit Juli 2023 auch Ovarialgewebe sowie die entsprechenden notwendigen medizinischen Maßnahmen und Lagerung definiert.1,2


Bevor Maßnahmen eingeleitet werden, muss eine Beratung und Empfehlung von fertilitätserhaltenden Maßnahmen durch deinen Facharzt oder deine Fachärztin erfolgen. Nach der Beratung ist es wichtig, dass du eine sogenannte „Bescheinigung der Grunderkrankung“ in den Händen hältst, die alle erforderlichen Informationen für deinen Kostenträger enthält. Auf der Website der deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs findest du hier eine Vorlage als Orientierung.
Der Gesetzgeber definiert als Grundvoraussetzung für die Durchführung der Maßnahmen für Frauen, dass das vollendete 40. Lebensjahr und für Männer das 50. Lebensjahr nicht überschritten ist. Bist du unter 18, solltest du abklären, ob alle geplanten Hormone oder Medikamente für dein Alter zugelassen sind. Sonst kann es passieren, dass der Kostenträger die Kostenübernahme ablehnt.3

 

Fertilitätserhalt bei Krebs – Antrag auf Kostenübernahme notwendig?

Bist du in einer gesetzlichen Krankenkasse reicht in der Regel die Beratung und Bescheinigung zur Grunderkrankung aus. Dies dient als Grundlage, dass deine Ärzt:innen die entstehenden Kosten direkt mit deiner Krankenkasse abrechnen können. Du benötigst hier also keinen Antrag auf Kostenübernahme oder zusätzlichen privaten Behandlungsvertrag.2
Bist du in einer privaten Krankenversicherung, verbeamtet oder ist für sich ein sonstiger Kostenträger zuständig, solltest du, um die Kostenübernahme sicher zu stellen, diese vorher beantragen.3,4 Deine Erfolgsaussichten sind hier nicht vorhersagbar und hängen stark von deinem Versicherer und den definierten vertraglichen Leistungen ab. Eine erste Orientierung, wie du einen Antrag auf Kostenübernahme formulieren könntest, findest du hier (Frauen) oder hier (Männer).

Befruchtete Eizellen einfrieren – ja oder nein?

Mit der heutigen Technik sind auch die Befruchtungsraten von eingefrorenen unbefruchteten Eizellen sehr gut.5 Das kann ein Vorteil sein, wenn du aktuell keinen Partner hast oder dich auf den aktuellen Partner vielleicht noch nicht festlegen willst. Schließlich kann bis zur Realisierung deines Kinderwunsches noch einige Zeit vergehen und niemand kann vorhersagen, wie sich deine Lebenssituation bis dahin entwickelt. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass in der Leitlinie nur die Kostenerstattung für den Ablauf der Vorbereitung und der Entnahme bis hin zum späteren Auftauen der Eizelle geregelt ist.2 Nicht aber die Spermienaufbereitung und Injektion, die für das Einfrieren einer befruchteten Eizelle nötig wären. Deshalb kann die gesetzliche Krankenkasse die Kostenübernahme verweigern. Aus den genannten Gründen gibt es keinen zwingenden Grund mehr, befruchtete Eizellen einzufrieren.

Unterstützungsmöglichkeiten bei der Kinderwunschbehandlung

Wurde Eierstockgewebe eingefroren und erfolgreich wieder implantiert oder die Eierstockfunktion unterdrückt, besteht die Möglichkeit, dass du auf normalen Weg schwanger werden kannst. Möchtest du eingefrorene Ei oder Samenzellen zur Realisierung deines Kinderwunsches nutzen, ist eine künstliche Befruchtung notwendig.2 Dein Anspruch auf Kostenübernahme ist im Regelfall mit den Paaren vergleichbar, die aus anderen Gründen eine Kinderwunschbehandlung in Anspruch nehmen. Grundsätzlich kannst du die Option einer Kostenbeteiligung durch deine Krankenkasse sowie über die Bundesförderrichtlinie prüfen.6
Wenn du in einer gesetzlichen Krankenversicherung bist, hast du unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine Übernahme der Kosten von 50%.7 Derzeit gelten folgende Voraussetzungen:8
– das Paar mit dem Kinderwunsch muss verheiratet sein
– als Frau musst du älter als 25 und jünger als 40 Jahre sein
– als Mann musst du älter als 25 und jünger als 50 Jahre alt sein
– ärztliche Feststellung der Unfruchtbarkeit
– ärztliche Feststellung, dass bei Kinderwunschbehandlung die Aussicht auf Erfolg besteht
– es dürfen nur Ei- beziehungsweise Samenzellen des beantragenden Paares verwendet werden
– Vor Beginn der Behandlung muss eine psychosoziale oder medizinische Beratung erfolgen

Bist du bei einer privaten Krankenkasse versichert, hängen die Chancen auf eine finanzielle Förderung von deinen vertraglich vereinbarten Leistungen ab. Da dort in der Regel das Verursacherprinzip gilt, kann es sogar sein, dass deine private Krankenversicherung sogar 100% der Kosten für eine Kinderwunschbehandlung übernimmt. Auch die Regelung, ob du mit deinem Partner oder Spender verheiratet sein musst, kann von den Vorgaben der gesetzlichen Krankenversicherung abweichen.7
Auch das deutsche Bundesministerium bietet die Option einer finanziellen Unterstützung.9 Da die notwendigen finanziellen Mittel auch mindestens zur Hälfte von den einzelnen Bundesländern getragen werden müssen, gibt es aber keine deutschlandweit einheitliche Regelung. Für dich gelten die jeweiligen Vorgaben des Bundeslandes, in dem du wohnhaft bist. Über den Förder-Check bekommst du eine erste Einschätzung, ob eine finanzielle Unterstützung über diesen Fördertopf möglich ist. Durch den Bund ist eine maximale Bezuschussung von 25% der verbleibenden Kosten nach Abrechnung mit der Krankenkasse vorgesehen. Dies bedeutet, dass du im Falle einer Kinderwunschbehandlung mit mindestens 25% der Kosten als Eigenanteil rechnen musst.

Plan (d)ein Leben nach dem Krebs

Das Thema Familienplanung trotz Krebs ist ein sensibles Thema. Welche Vorgehensweise in deiner individuellen Situation für dich die richtige ist, findest du am besten im Gespräch mit deinen behandelnden Ärzt:innen heraus. Frage proaktiv nach, was in eurer familiären Situation am sinnvollsten ist. Auch unser Experten-Team steht dir jederzeit zur Verfügung. Es kann Optionen aufzeigen und helfen, euren eigenen Weg als zukünftige Eltern zu finden.

Quellen

1. Kryokonservierung von Ovarialgewebe ab Juli Kassenleistung (aerzteblatt.de) abgerufen am 10.12.2023
2. Richtlinie zur Kryokonservierung von Ei- oder Samenzellen oder Keimzellgewebe sowie entsprechende medizinische Maßnahmen wegen keimzellschädigender Therapie (g-ba.de)
abgerufen am 10.10.2023
3. https://junge-erwachsene-mit-krebs.de/wissen/erhaltung-der-fruchtbarkeit-bei-frauen/ abgerufen am 11.10.2023
4. https://junge-erwachsene-mit-krebs.de/wissen/erhaltung-der-fruchtbarkeit-bei-maennern/ abgerufen am 22.02.2024
5. https://www.fertionco.ch/de/methoden-alternativen/fruchtbarkeitserhaltende-methoden/unbefruchtete-eizelle-einfrieren/ abgerufen am 11.10.2023
6. Informationsportal Kinderwunsch – Startseite (informationsportal-kinderwunsch.de) abgerufen am 10.10.2023
7. Wer die Kosten trägt – familienplanung.de abgerufen am 10.10.2023
8. Informationsportal Kinderwunsch – Das übernimmt die Krankenkasse (informationsportal-kinderwunsch.de) abgerufen am 10.10.2023
9. https://www.informationsportal-kinderwunsch.de/resource/blob/147120/7174105f36b4c515d017f72af22a48d2/bundesfoerderrichtlinie-201802-data.pdf abgerufen am 10.10.2023

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3.0 Wie kann ich für einen zukünftigen Kinderwunsch vorsorgen?

3.0 Wie kann ich für einen zukünftigen Kinderwunsch vorsorgen?

Wie kann ich für einen zukünftigen Kinderwunsch vorsorgen?

Ein wichtiger Aspekt, um zukünftig einen Kinderwunsch zu realisieren, ist, die Auswirkungen der Krebsdiagnose an sich und die gewählte Therapieform zu berücksichtigen. Diese Faktoren können sich auf deine Fruchtbarkeit (Fertilität) auswirken und es ist sinnvoll und wichtig, dass du dich noch vor Therapiebeginn mit der Frage „Wünsche ich mir später noch einmal eigene Kinder?“ beschäftigst. Praktisch bedeutet dies für dich den Wunsch beim behandelnden Ärzteteam offen anzusprechen und Kinderwunschexptert:innen an Board zu holen. Wir geben dir erste Impulse für das Finden der richtigen Anlaufstellen zur Verwirklichung deines Wunsches nach eigenen Kindern und zu Aspekten wie der Kostenerstattung.

 


Fertilitätserhalt- Was ist grundsätzlich wichtig?

Grundsätzlich kannst du durch eine gesunde Lebensweise und die Vermeidung von Umweltgiften oder Genussmitteln wie Nikotin- und übermäßigen Alkoholkonsum dazu beitragen deine Chance für eigene Kinder zu fördern.1 Welche Methode sonst zum Erhalt der Fruchtbarkeit in Frage kommt, richtet sich nach deinen individuellen Grundvoraussetzungen und Alter sowie den Details der Krebsdiagnose und wie schnell mit welcher Therapie begonnen werden soll.2

 

Fertilitätsprotektion- Welche Möglichkeiten gibt es für Frauen?

Prinzipiell gibt es folgende Verfahren, die zum Erhalt der Fruchtbarkeit grundsätzlich möglich sind:2-4
– Ruhigstellen der Eierstöcke zum Schutz der ovariellen Reserve
– Einfrieren von befruchteten oder unbefruchteten Eizellen
– Einfrieren von Eierstockgewebe
– Operative Verlagerung der Eierstöcke aus dem Bestrahlungsfeld
– Organerhaltende Operationstechniken insbesondere bei frühen Stadien von Tumoren im Bereich der Gebärmutter
Auf Grund der individuellen Situation sind allgemeine Empfehlungen, welche Methode für deine Situation am besten wäre, kaum möglich. Ein ärztliches Beratungsgespräch ist deswegen unverzichtbar.

Fertilitätsreserve- Welche Möglichkeiten gibt es für Männer?

Gerade bei der Aufklärung von Männern in Hinblick auf die Maßnahmen zur Fertilitätsprotektion bei Krebs gibt es noch Aufholbedarf.5 Dabei ist die Kryokonservierung von Spermien ein standardisiertes Verfahren, das zu über 80% erfolgreich ist.2,6 Auch Hodengewebe kann dauerhaft eingefroren werden. Nach dem Auftauen können aus diesem Gewebe dann Spermien für eine Kinderwunschbehandlung gewonnen werden. Dieses Verfahren wir als testikuläre Spermienextraktion, kurz TESE, bezeichnet.2

Sei mutig-sprich deinen Wunsch offen aus

Mit der Krebsdiagnose hat sich wahrscheinlich deine Lebensplanung verändert, aber das bedeutet nicht, dass es nicht auch ein erfülltes Leben nach dieser Zeit geben kann. Der Blick auf die Zukunft und etwas Positives zu richten, wie etwa die Verwirklichung eines Kinderwunsches, können dir über so manche dunkle Stunde hinweghelfen. Auch wenn du vielleicht in diesem Moment noch nicht sicher bist, ob du (noch) einmal Mutter oder Vater werden möchtest, schadet es nicht, dir diese Entscheidungsfreiheit für später offen zu halten.
Das Thema Fertilitätserhalt bei Krebs sollte mittlerweile standardmäßig zum ärztlichen Aufklärungsgespräch gehören. Es kann jedoch bei den vielen Informationen zu deiner medizinischen Situation und dem Behandlungsplan untergehen.7,8 Da dieser Aspekt Auswirkungen auf deinen Therapiebeginn haben kann, ist es sinnvoll, wenn du dieses Thema auch frühzeitig aktiv ansprichst. Auf Grundlage deiner gesundheitlichen Grundvoraussetzung, Alter und geplanten Behandlung kann eine auf deine Situation individuelle Beratung durch Kinderwunschspezialist:innen stattfinden.6

 

Sozialrechtliche Aspekte – Kosten, Anträge und Co.

Die Maßnahmen zum Fertilitätserhalt sind je nach gewählter Methode mehr oder weniger kostenintensiv. Wichtig ist für dich zu wissen, welche Kosten du vielleicht selbst tragen musst. Wann und für welche Leistungen du Bescheinigungen benötigst oder welche Anträge du zur Kostenübernahme stellen kannst. Wichtig bei allen Maßnahmen ist, dass du die Bescheinigungen und Anträge mit Kostenerstattung abklärst, bevor die Maßnahmen gestartet werden.8 Glücklicherweise hat sich in den letzten Jahren in den gesetzlichen Regelungen in Bezug auf die Kostenübernahme bei Fertilitätsprotektion und Kinderwunsch bei Krebserkrankungen einiges positiv verändert. So werden nun in begründeten Fällen, neben den Kosten für die Kryokonservierung und Lagerung von unbefruchteten oder befruchteten Eizellen oder Spermien, nun auch seit Juli 2023 die Kosten für die Kryokonservierung von Ovarialgewebe von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.9 In unserem Artikel zu Kostenerstattung bei Krebserkrankung und Kinderwunsch findest du Details und Links zu Anträgen.

 

Lass dich unterstützen

Das Thema Familienplanung trotz Krebs ist ein sensibles Thema. Welche Vorgehensweise in deiner individuellen Situation für dich die richtige ist, findest du am besten im Gespräch mit deinen behandelnden Ärzt:innen heraus. Frage proaktiv nach, was in eurer familiären Situation am sinnvollsten ist. Auch unser Experten-Team steht dir jederzeit zur Verfügung. Es kann Optionen aufzeigen und helfen, euren eigenen Weg als zukünftige Eltern zu finden.

 

Quellen
1. https://www.familienplanung.de/risikofaktoren/ abgerufen am 06.10.2023
  
2. S2k-Leitlinie Fertilitätserhalt bei onkologischen Erkrankungen Version 1.0 Stand 01.11.2017 https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/015-082 abgerufen am 05.10.2023

3. Kinderwunsch-und-Krebs_BlaueRatgeber_DeutscheKrebshilfe.pdf

4. Fertilitätsprotektion - FertiPROTEKT Netzwerk e.V.

5. https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Ruf-nach-mehr-Aufklaerung-zum-Fertilitaetserhalt-bei-Krebs-Co-440189.html abgerufen am 20.03.204

6. Melli B, Morini D, Daolio J, Nicoli A, Valli B, Capodanno F, Spaggiari G, Aguzzoli L, Villani MT, Santi D, Sileo FG. Semen cryopreservation in men undergoing cancer treatment: a ten-year study. Minerva Obstet Gynecol 2023 Jun;75(3):227-235. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35107238/

7. https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/leben-mit-krebs/beratung-und-hilfe/mit-dem-arzt-ueber-die-krebserkrankung-reden.html abgerufen am 05.10.2023
8. https://www.g-ba.de/downloads/62-492-2970/2022-08-18_Kryo-RL.pdf abgerufen am 20.03.2024 

9. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/143692/Kryokonservierung-von-Ovarialgewebe-ab-Juli-Kassenleistung abgerufen am 05.10.2023

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2.3. Chemotherapie – wie wirkt sie sich auf die Fruchtbarkeit aus

2.3. Chemotherapie – wie wirkt sie sich auf die Fruchtbarkeit aus

Chemotherapie – wie wirkt sie sich auf die Fruchtbarkeit aus?​

Kinderwunsch und Chemotherapie – Was du dazu wissen solltest


Vielleicht hast auch du aufgrund von Film und Fernsehen oder durch Erfahrungen im eigenen Bekanntenkreis ein Bild vor Augen, wenn du dir eine Person vorstellen sollst, die eine Chemotherapie bekommt. Bestimmte Nebenwirkungen, wie etwa Haarausfall, sind allgemein bekannt. Aber kann eine Chemotherapie sich auch negativ auf die Fruchtbarkeit auswirken? Und wenn ja, erlebt jeder Mensch dies gleich? Antworten auf diese und noch mehr Fragen findest du im folgenden Text.


Chemotherapie – Eingriff in die Zellteilung

Die Chemotherapie ist eine medikamentöse Form der Krebsbehandlung. Hierbei werden bestimmte Medikamente, sogenannte Zytostatika eingesetzt, die in die Zellteilung eingreifen und so die Vermehrung von Krebszellen hemmen sollen.1,2 Es handelt sich hierbei um eine systemische Therapie, das heißt, die Medikamente verteilen sich über die Blutbahn im ganzen Körper.3 Zytostatika wirken besonders stark auf Zellen, die sich häufig und schnell teilen.1 Da Tumorzellen oft eine sehr hohe Teilungsrate aufweisen, sind sie auch besonders anfällig für die Wirkung der Zytostatika.1 Allerdings gibt es auch im gesunden menschlichen Organismus Zellsysteme, wie etwa das blutbildende Knochenmark, die Schleimhäute oder Haarwurzeln, die sich häufig teilen und beständig neue Zellen produzieren. Aufgrund der systemischen Verteilung der Medikamente werden auch sie durch die Wirkung der Chemotherapeutika beeinträchtigt und es kann zu Nebenwirkungen wie Blutarmut oder Haarausfall kommen.1,3 Dennoch ist die Verteilung im ganzen Körper oftmals gewünscht, denn dadurch kann sich die Therapie auch gegen größere Metastasen und sogar gegen einzelne, bereits verstreute Krebszellen richten.3

 

Chemotherapien- Auswirkung auf Eizellen und Spermienproduktion

Durch die systemische Verteilung gelangen die Chemotherapeutika auch in die weiblichen und männlichen Geschlechtsorgane. Da sich die zahlreichen in der Krebstherapie eingesetzten Chemotherapien in ihrem Wirkmechanismus unterscheiden, sind auch ihre jeweiligen Nebenwirkungen und ihr Einfluss auf die Fruchtbarkeit unterschiedlich.1,4 So gibt es bestimmte Wirkstoffe oder Wirkstoffgruppen, die Eizellen und Follikel direkt schädigen und zu deren vermehrten Absterben führen.5,6 Hierzu zählen insbesondere Platinverbindungen und andere Alkylanzien, Taxane sowie einige Kombinations-Chemotherapien.5,7 Aber auch das Gewebe der Eierstöcke, die Gebärmutterschleimhaut und die Gefäße der Reproduktionsorgane können durch Zytostatika beeinträchtigt werden.5,7
Beim Mann haben fast alle Zytostatika eine negative Wirkung auf die Spermatogonien.5 Das sind Stammzellen im Hoden, die für die kontinuierliche Produktion von Spermien verantwortlich sind. Die Schädigung der Spermatogenese kann sowohl anhaltend als auch vorübergehend sein, abhängig davon, wie viele Spermatogonien die Chemotherapie unbeschadet überstehen. Insbesondere beim Einsatz von Alkylanzien kann die Erholung der Spermatogenese ausbleiben oder erst stark verzögert einsetzen.5,6
Darüber hinaus gibt es noch weitere Aspekte, die mitbestimmen können, wie stark eine Chemotherapie deinen Kinderwunsch tatsächlich beeinflusst. Hierzu zählen die Dauer der Behandlung, die Dosierung der Chemotherapie, eine mögliche Kombination mehrerer Medikamente, der Einsatz anderer Begleittherapien, dein Alter sowie die individuelle Veranlagung.5

Fertilitätsstörungen – Sind sie unausweichlich nach einer Chemotherapie?

Einschränkungen in der Fruchtbarkeit nach einer Chemotherapie müssen nicht zwangsweise auftreten.5,7 Sichere Anzeichen, die bereits im Vorfeld erkennen lassen, ob du von Fertilitätsstörungen betroffen sein wirst, gibt es leider nicht.7 Im Allgemeinen kann man aber sagen, dass bei Frauen mit zunehmendem Alter das Risiko für eine Unfruchtbarkeit nach einer Chemotherapie steigt.5-8 Dies liegt daran, dass mit zunehmendem Alter immer weniger Eizellen in den Eierstöcken vorhanden sind. Die sogenannte Eizellreserve nimmt ab. Wird durch eine Chemotherapie die Anzahl der Eizellen noch weiter verringert, kann eine Schwangerschaft auf natürlichem Wege immer unwahrscheinlicher bis unmöglich werden.5,6
Doch selbst bei nahezu identischem Alter und sonstigen Therapieumständen sind die Auswirkungen einer Chemotherapie auf die Fruchtbarkeit von Frau zu Frau aufgrund von individueller Veranlagung unterschiedlich.5 Die Effekte einzelner Faktoren einer Therapie lassen sich also nicht einfach so addieren. Zwar können die behandelnden Ärzt:innen die möglichen Auswirkungen von etablierten Chemotherapien in Abhängigkeit vom Alter abschätzen, eine genaue Bestimmung des Risikos einer Unfruchtbarkeit ist allerdings trotzdem nicht möglich.5,8
Da beim Mann die Spermien ständig neu gebildet werden, gibt es hier keine “Reserve”, die abnehmen könnte. Entscheidend ist das Überleben der Spermatogonien im Hoden. Auch hier sind neben der Wahl der Zytostatika individuelle Faktoren entscheidend.5 In der Regel findet eine Erholung der Spermienproduktion in den ersten zwei Jahren nach Therapieende statt, aber auch längere anhaltende Zeiträume sind bekannt.5,7 Unter Umständen kann die Erholung der Spermatogene aber auch ausbleiben, was bis hin zur endgültigen Zeugungsunfähigkeit führen kann.5,8

Chemotherapie und Kinderwunsch – Optionen zum Fertilitätserhalt

Grundsätzlich kommen alle fertilitätsprotektiven Verfahren in Frage, die im Vorfeld einer Krebsbehandlung durchgeführt werden können. Möglicherweise kann auch eine besonders fertilitätsschonende Chemotherapie ausgewählt werden. Dies kann jedoch bei den meisten Krebserkrankungen nur in sehr geringem Maße berücksichtigt werden.8,9 In manchen Fällen können die Eierstöcke auch medikamentös “ruhiggestellt” werden, was zu einer geringeren Schädigung des Gewebes führen soll.8,9 Diese Methode wird insbesondere bei Brustkrebs angewendet und ihr Nutzen ist noch nicht vollständig belegt.5,9 Weiterhin ist auch das Einfrieren von befruchteten oder unbefruchteten Eierzellen oder Eierstockgewebe möglich.5,9 Männer können vor Therapiebeginn ein sogenanntes Spermadepot bei einer Samenbank einfrieren lassen.8,9


Ob fertilitätsprotektive Maßnahmen für dich in Frage kommen, und welche Option in deiner individuellen Situation für dich die richtige ist, findest du am besten im Gespräch mit deinen behandelnden Ärzt:innen heraus. Frage proaktiv nach, was es für Optionen gibt. Eventuell erhältst du auch eine Überweisung zu Fertilitätsärzt:innen oder einer Kinderwunschklinik. Hier wirst du bevorzugt (sehr schnell) einen Termin erhalten, um deine Fragen und Optionen zu klären. Auch unser Expert:innen-Team steht dir jederzeit zur Verfügung und unterstützt dich bei deinen individuellen Fragestellungen zu nächsten Schritten und Vorbereitungen der Beratungstermine.

 

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2.2. Strahlentherapie – wie wirkt sie sich auf die Fruchtbarkeit aus

2.2. Strahlentherapie – wie wirkt sie sich auf die Fruchtbarkeit aus

Strahlentherapie – wie wirkt sie sich auf die Fruchtbarkeit aus​

Für manch einen klingt vielleicht schon das Wort Strahlentherapie an sich bedrohlich, hört man im Alltag eher von negativen Folgen einer Strahlenbelastung. Dennoch hat die Bestrahlung in der Krebstherapie einen festen Stellenwert, denn sie kann gezielt gegen Tumorzellen eingesetzt werden. Die Frage nach möglichen Folgen für die eigene Fruchtbarkeit liegt aber trotzdem nahe. Wirkt sich die Bestrahlung auch auf Ei- und Samenzellen aus? Sind die Auswirkungen bei allen Bestrahlungsarten gleich? Gibt es Möglichkeiten, die Reproduktionsorgane zu schützen? Dieser Artikel gibt dir die grundlegenden Informationen hierzu an die Hand. 


Strahlentherapie – individuell geplant und gezielt wirksam

Bei fast jeder zweiten Krebserkrankung kommt eine Strahlentherapie (auch Radiatio oder Radiotherapie genannt) zum Einsatz.1,2 Die hierbei verwendete Strahlung ist so energiereich, dass sie das Erbgut von Zellen verändern kann. Gesunde Zellen können diese Schäden oft reparieren, Krebszellen hingegen erholen sich schlechter. Sie verlieren die Fähigkeit sich zu teilen und sterben ab.1,3 Aber nicht jede Tumorart reagiert gleich auf die Strahlentherapie. Deswegen wählen die behandelnden Ärzt:innen die Strahlendosis anhand der Strahlenempfindlichkeit des jeweiligen Tumors aus.2 Die Gesamtdosis, die für eine erfolgreiche Therapie nötig ist, wird dabei oft in mehrere Einzeldosen aufgeteilt. Dies dient der besseren Verträglichkeit und dem Schutz des gesunden Gewebes in der Nähe des Tumors.1,2
Da die Strahlung nur dort wirkt, wo sie das Gewebe mit hoher Energie trifft, wird eine Bestrahlung individuell geplant. Den Tumor soll eine hohe Strahlendosis erfassen, das umliegende Gewebe aber, soweit möglich, geschont werden.3 Zu dieser sogenannten Bestrahlungsplanung gehört auch die Wahl der Bestrahlungsart. Am häufigsten erfolgt die Bestrahlung von außen durch die Haut (perkutane Strahlentherapie oder Teletherapie). In bestimmten Fällen besteht aber auch die Möglichkeit, radioaktives Material direkt in den Tumor einzubringen (Brachytherapie) oder ein radioaktives Medikament zu verabreichen, dass sich ausschließlich im Tumor anreichert (Radionuklidtherapie) .1 Unabhängig von der Art der Therapie trifft die Strahlung in der Regel aber nur einen bestimmten, eher kleinen Teil des Körpers, weswegen man sie zu den lokalen Krebstherapien zählt.2

 

Bestrahlung und Fruchtbarkeit – der Ort ist entscheidend

Aufgrund der lokal begrenzten Wirkung der Strahlentherapie ist der Ort der Bestrahlung entscheidend für mögliche Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit.
Eine Bestrahlung der Brust hat, wie die Operation, normalerweise keinen Einfluss auf die Fertilität.4
Anders sieht es bei Tumoren im Bereich des Unterbauchs und des Beckens aus. Trotz gründlicher Bestrahlungsplanung kann es dazu kommen, dass die Eierstöcke eine geringe Strahlenmenge als Streustrahlung abbekommen und dabei Eizellen zerstört werden.5 Bei jungen Frauen und geringer Strahlendosis bleiben jedoch oft genug Eizellen für eine spätere Schwangerschaft übrig.3 Wenn sich schon im Vorfeld absehen lässt, dass die Eierstöcke direkt im Strahlenfeld liegen, können sie durch eine Operation (Ovariopexie) auch aus dem bestrahlten Gebiet hinaus verlegt werden.2,5
Auch die Gebärmutter kann abhängig von der Strahlendosis Schaden nehmen.5 Doch auch nach einer Strahlenexposition sind Schwangerschaften prinzipiell möglich. Das Risiko für Fehl- und Frühgeburten ist allerdings erhöht.5
Bei Männern kann eine Bestrahlung von Unterbauch und Becken ebenfalls Auswirkungen auf die Zeugungsfähigkeit haben, denn trotz Gonadenschutz kann Streustrahlung die Hoden treffen. Dies kann die Spermatogonien , die für die Spermienproduktion zuständig sind, vorübergehend oder auch dauerhaft schädigen.3,5 Eine Erholung der Spermienproduktion setzt abhängig von der Strahlendosis frühestens neun Monate nach Ende der Strahlentherapie ein, kann aber auch vollständig ausbleiben.5

Besondere Bestrahlungsformen und deren Auswirkung auf die Fruchtbarkeit

Dass eine Bestrahlung der Reproduktionsorgane Einfluss auf die Fruchtbarkeit haben kann, scheint dir vielleicht klar. Aber dass auch eine Bestrahlung des Kopfes von Bedeutung sein könnte, mag dich überraschen: Relativ zentral im Kopf liegen der Hypothalamus, ein Teil des Gehirns, und die Hypophyse, eine etwa erbsengroße Drüse. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Regulation des Hormonhaushalts. Wird durch eine Bestrahlung die Funktion einer dieser beiden Strukturen beeinträchtigt, kann es zu einer Störung der Eizellreifung in den Eierstöcken oder auch der Spermienbildung in den Hoden kommen.5,6 Dies lässt sich aber in der Regel durch eine Hormonersatztherapie ausgleichen.5,6
Eine Sonderform der Strahlentherapie stellt die Ganzkörperbestrahlung dar, die bei einigen Blutkrebsformen (Leukämien) und bestimmten Lymphomen eingesetzt wird. Sie ist Teil der sogenannten Konditionierung vor einer Knochenmark- oder Stammzelltransplantation und soll neben den Tumorzellen auch das Knochenmark sowie das körpereigene Immungedächtnis vor der Transplantation funktionsunfähig machen, wodurch das Anwachsen der Spenderzellen erst möglich wird.7,8 Da der gesamte Körper von der Strahlung erfasst wird, um alle verteilten Tumorzellen zu erreichen, ist hier das Risiko für eine Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit bei Männern und Frauen besonders hoch.6,9

Fragen zur Familienplanung offen ansprechen

Wie du siehst, hängt der Einfluss der Strahlentherapie auf deine Fruchtbarkeit also stark von den bestrahlten Körperregionen und der eingesetzten Strahlendosis ab. Sprich deswegen deinen Wunsch, auch nach der Krebstherapie leibliche Kinder bekommen zu können, und alle damit verbundene Fragen zur Therapie früh und offen bei deinen Ärzt:innen an. So kannst du herausfinden, ob fertilitätsprotektive Maßnahmen für dich in Frage kommen, und welche Option in deiner individuellen Situation für dich die richtige ist. Frage proaktiv nach, was es für Optionen gibt. Auch unser Expert:innen-Team steht dir jederzeit zur Verfügung und unterstützt dich bei deinen individuellen Fragestellungen zu nächsten Schritten und Vorbereitungen der Beratungstermine.

 

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